Eine den Irrsinn der Zeit widerspiegelnde, mehrschichtige und tragische Darstellung von Marco von Fabiranum. Das Casino des Lebens.
Bebilderter Video-Podcast
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“Tagebucheinträge aus dem Casino des Lebens” oder “Die Verlustaversion”
Hallo liebe Freunde der Weltgeschichte und des Friedens.
Hallo liebe Glücksspieler.
Heute ist Freitag, der 24. März 2023, es ist jetzt 19:35 Uhr:
Ich berichte hier und heute live für Sie aus dem Spielcasino. Mein Besuch im monetären Glückstempel führte mich direkt an den Roulettetisch.
Und, …
Es sieht ganz und gar nicht gut für mich aus.
Ich wollte gewinnen!
Ich träumte vom schnellen Geld – viel Geld!
Doch die Realität holte mich ein.
19:36 Uhr:
In der Region um Bachmut schlägt eine russische Rakete ein.
36 ukrainische Soldaten sterben qualvoll. Der ukrainischen Armee droht in Bachmut die vollständige Einkesselung durch die Russen.
19:43 Uhr:
Mein aktueller Verlust am Spieltisch beträgt lediglich 800 Euro.
Das ist nicht allzu viel und daher noch gut zu verkraften. Denn ich habe einen tollen Job und verdiene damit sehr gutes Geld – genug Einkommen, um mir und meiner Familie ein angenehmes Auskommen zu bereiten.
Warum also sollte ich es mir nicht gut gehen lassen.
Ich bin gut gelaunt! Und es geht mir prächtig!
19:49 Uhr:
Ein prorussisch-ukrainischer Soldat aus dem Donbass tötet einen ukrainischen Soldaten aus Kiew durch einen gezielten Schuss in den Schädel. Zur selben Zeit verfehlt der Angriff einer ukrainischen Einheit sein Ziel. Ein verirrter Granatsplitter schlägt krachend in ein Kinderzimmer ein – 2 cm über einem schlafenden Kind.
19:55 Uhr:
Tausend Euro sind mein derzeitiger Verlust! Die Kugel rollt auf dem Roulettetisch!
Ich setze zügig 500 Euro auf „Rot“.
Rien ne va plus! Nichts geht mehr!
Schwarz gewinnt!
Scheiße!!!
20:00 Uhr:
Gerade beginnt in der ARD die Tagesschau:
Die hübsch anzusehende Moderatorin mit den schwarzen Haaren berichtet über eine Analyse bezüglich des Ukraine-Konfliktes mit dem hoffnungsvoll klingenden Titel:
„Mehr Diplomatie wagen – aber wie?“
Die Moderatorin führt dazu weiter aus:
„Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung befürwortet Friedensverhandlungen, um den Ukraine-Krieg zu beenden. Aber wie soll das gehen, ohne Russlands Präsident Putin durch Zugeständnisse für seinen Angriffskrieg zu belohnen?“
20:01 Uhr:
1500 Euro Verlust!
Es schmerzt ein wenig!
Ich will mein Geld zurück haben – ich muss!
Ich ändere meine Strategie und setze 750 Euro auf „Schwarz“.
Das sollte doch funktionieren.
Ich bin sicher!
20:02 Uhr:
In der ARD befragt die Moderatorin einen Politikexperten.
Gustav Gressel von der Denkfabrik sagt:
“Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Chancen auf Verhandlungen! Putin spielt auf Sieg!”
20:03 Uhr:
Rien ne va plus! Nichts geht mehr!
Die Kugel fällt ins Fach.
„ROT“!!!
Scheiße!!!
20:15 Uhr:
Im Fernseher tönt es:
Aus aktuellem Anlass folgt nun der „Brennpunkt“.
Der vorgesehene Spielfilm „Kinder, Mütter und ein General“ mit dem noch jungen Klaus Kinski …
… er spielt einen Leutnant, der nicht mehr lacht …
Dieser Film muss leider ausfallen.
Im Anschluss an den „Brennpunkt“ zeigen wir Ihnen den Film „Der Untergang“.
Und für die Nachtschwärmer unter Ihnen haben wir ein echtes Schmankerl vorbereitet. Freuen Sie sich auf unseren Spätfilm um 00:05 Uhr, wenn wir Ihnen die Wiederauferstehung Adolf Hitlers in der Komödie „Er ist wieder da“ präsentieren.
20:16 Uhr:
Ich fühle mich gar nicht gut.
2250 Euro habe ich verloren und das schmerzt ein wenig.
Aber gut! Noch ist nicht aller Tage Abend!
Neue Runde-Neues Glück.
Ich setze 4000 Euro auf „Schwarz“!!!
Wenn ich jetzt gewinne, werde ich ein fettes Plus machen!
Die Kugel rollt.
Rien ne va plus! Nichts geht mehr!
ROT!
20:17 Uhr:
Im Brennpunkt wird ein Recherchefilm eingespielt. Am Ausgang eines Supermarktes in Berlin wird eine zufällig ausgewählte Kundin zum Ukraine-Konflikt befragt. In der Einblendung wird ihr Name gezeigt.
Zur gleichen Zeit im Casino:
ROT!!!
Ich glaub`es nicht!
Das kann nicht wahr sein! …
20:18 Uhr:
Supermarktkundin Annalena B. greift verärgert in das Puschelmikrofon des fragenden Journalisten. Sie zeigt sich empört und will sich den Mund nicht verbieten lassen.
Sie sagt: „Was ist das für ein Frieden, wenn man unter russischer Besetzung leben muss? Wenn man jeden Tag die Sorge hat, dass man kaltblütig ermordet, vergewaltigt oder als Kind verschleppt wird?“
20:19 Uhr:
Ich ringe um Fassung, doch es gelingt nur mäßig.
Was werden meine Frau und die Kinder nur sagen, wenn ich ihnen meine Casino-Verluste beichten muss?
Mein Leidensgenosse am Roulettetisch neben mir hat bereits 10.000 Euro verloren. Ich liege mit 6250 Euro zum Glück noch weit darunter.
In der Folge ändere ich erfolgreich meine Strategie:
Ich setze nun kleinere Summen von 50 Euro pro Spiel.
Kleinvieh macht schließlich auch Mist.
Immer, wenn ich gewinne, verdoppele ich meinen Einsatz.
Und es klappt.
Ich habe eine Glückssträhne.
Bei den folgenden vier Spielen fahre ich echt fette Gewinne in Höhe von 1500 Euro ein.
Es läuft!
21:00 Uhr:
Meine Frau schaut Fernsehen. Auf ARTE läuft eine wissenschaftliche Dokumentation über die sogenannte „VERLUSTAVERSION“.
Der Sprecher berichtet, dass die Verlustaversion ein Bestandteil der „Prospect Theory“ ist, welche 1979 von Kahneman und Tversky aufgestellt wurde.
21:02 Uhr:
Meine Glückssträhne hat sich mit Karacho verabschiedet.
Meine Verluste belaufen sich derweil auf 15.000 Euro.
Sie werden sich meinen Ärger sicherlich vorstellen können!
Trotzdem!
Ich werde es mir nicht nehmen lassen.
Schließlich ist es mein sauer verdientes Geld …
Es gehört mir und nicht dem Casino!
21:03 Uhr:
In Bachmut zischt eine Kugel in ein ziviles Wohnhaus. Nach dem zuvor verfehlten Einschlag des Granatsplitters – nur zwei cm über dem Kopf des neunjährigen Mädchens – wurde dieses Kind nun das Opfer einer Gewehrkugel.
21:04 Uhr:
Das Glück ist mir wieder hold!
Ich habe mir 5000 Euro zurückgeholt.
Noch 2 mal 5000 und ich habe mein Geld wieder!
21:05 Uhr:
In der ARTE-Dokumentation wird ein Psychologe zur Verlustaversion befragt.
Der Psychologe erklärt:
“Die Verlustaversion zeigt sich in sehr vielen Phänomenen.
Dabei ist zum Beispiele ist der „Besitztumseffekt“ sehr interessant:
Menschen messen den Gütern, die sie besitzen, einen höheren Wert zu, als Gütern, die sie nicht besitzen.
Es ist schwer zu erklären …”
21:06 Uhr:
Wie gewonnen, so zerronnen!
Es ist zum Mäuse melken.
Ein letztes Spiel.
Ich setze 8000 Euro auf „Schwarz“.
Wenn ich gewinne, höre ich auf und gehe mit 1000 Euro nach Hause!
21:07 Uhr:
Meine Frau lauscht gespannt dem Psychologen:
“… ja, wie ich schon sagte, es ist wirklich sehr schwer zu erklären.
Schauen sie, wenn sie ein wertvolles Gut verlieren, dann ist das für sie sehr schmerzhaft. Das ist soweit klar, nicht wahr?
Also…. Wenn sie beispielsweise in die Ukraine schauen,
dann ist doch klar….
Also … wenn die Ukraine den Krieg verlieren sollte…. äh … und dann die Krim und den Donbass an Russland abtreten müsste, …
Dann ist doch klar, dass das ein sehr schmerzhafter Zustand für die Ukraine darstellen wird.
Die Ukraine hat sehr viel Land…. aber wenn sie Teile davon verliert, wäre das ein übermäßig schwerer Verlust….”
21:08 Uhr
„ROT“!!!
Neiiiin!!!
Ich kann nicht mehr!
22.000 Euro!!!
Scheiße!
Weg!!! Einfach weg!
21:09 Uhr:
Meine Frau holt sich ein Getränk aus dem Kühlschrank. Der Psychologe erklärt immer noch die Verlustaversion:
“Ja … und nun schauen sie einmal, was die Ukraine gerade nicht hat!
Die Welt und insbesondere die Menschen in der Ukraine wünschen sich sehnlichst einen Frieden. Aber es herrscht Krieg. Sie haben keinen Frieden.
Frieden ist ein sehr hohes Gut!
Um einen solchen Frieden mit Russland zu verhandeln, müsste die Ukraine in der aktuellen Situation mit Sicherheit einen sehr hohen Preis bezahlen. Eben die Abtretung ihrer jetzigen Gebietsansprüche.
Schauen sie, …
Hier haben wir nun einen Vergleich, …”
Bitte bleiben Sie dran, nach einer kurzen Werbeunterbrechung geht es gleich für Sie weiter.
21:10 Uhr:
Ich weiß nicht mehr weiter.
Wenn ich das meiner Frau sage, wird sie mich teeren und federn.
Lieber Gott, was soll ich machen?
Bitte gib mir ein Zeichen!
21:11 Uhr:
“Ja, …
Wo waren wir doch gleich stehen geblieben?
Ja, …
Also …
Wir haben hier nun einen Vergleich:
Auf der einen Seite besitzt die Ukraine Land und der Verlust dieser Ländereien wiegt außerordentlich schwer.
Gleichzeitig wünscht sich die Ukraine Frieden. Und der Gewinn eines solchen Friedens liegt nun in der Waagschale mit dem Gegengewicht eines Landverlustes.
Hier können sie jetzt sehen….
Die Sichtweise vieler Menschen ist absolut irrational. Der Gewinn eines möglichen Friedens kann aus Sicht dieser Menschen den Verlust von Land nicht aufwiegen! Lieber würden sie sich die Zunge abbeißen, als auch nur irgendeinen Verlust in Kauf zu nehmen.”
21:15 Uhr:
Auf dem Roulettetisch liegt die 80.000 Euro teure Uhr, aus der Erbschaft meines Vaters auf “Rot”.
Ich bete darum, zu meiner Familie zurück zu dürfen.
Ein letztes Spiel noch….
21:16 Uhr:
Meine Frau macht sich Sorgen um mich.
Längst müsste ihr Mann zu Hause sein.
Auf ARTE redet immer noch der Psychologe:
“Die Verlustaversion lässt Menschen also irrational handeln.
Doch bitte …
Kontrollieren sie es bitte selber!
Zuerst stelle ich ihnen zwei Fragen, welche sie ehrlich beantworten sollen. Anschließend fragen sie sich selber, wie sie dann aus der Sicht der Ukraine handeln wollten!
Was ist für sie höher zu bewerten:
Das Leben eines Menschen, oder ein Stück Land?
Wenn der Räuber sie nötigt: Geld oder Leben? Was bitte tun Sie dann?”
21:20 Uhr:
Heute war kein guter Tag.
Ich habe 160 Tausend Euro im Casino verzockt.
Ich weiß nicht, warum ich das getan habe.
Ich konnte einfach nicht aufhören, denn die Verluste waren schon zu hoch!
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